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Was sollte ich bei der Durchführung eines Online-Barcamps beachten?

Barcamps sind ein tolles Veranstaltungsformat für Austausch, Vernetzung und voneinander und miteinander lernen. Sie ermöglichen aktives Lernen – ausgehend von den jeweils eigenen Interessen und Bedürfnissen. Barcamps sind dabei grundsätzlich als Präsenz-Veranstaltungen konzipiert: Man trifft sich zu Beginn in einem größeren Raum – dem Plenum. Dort lernt man sich kennen, schlägt Sessions vor, fragt Interesse ab und gestaltet so einen Sessionplan. Die Sessions starten dann in weiteren Räumen – am besten im gleichen Gebäude. Und drumherum gibt es zahlreiche Zwischenräume, die ebenfalls auf Face-to-Face Austausch basieren: die Kaffee-Station, die Candy-Bar oder auch eine Button-Maschine. Umfassend beschrieben und erklärt ist das Format Barcamp im Buch Barcamps & Co von Jöran Muuß-Merholz.

In diesem Beitrag stellen wir einige Überlegungen zusammen, wie sich Barcamps auch online gestalten lässt. Wir greifen dabei zurück auf Überlegungen und Erfahrungen von Online-Barcamps, die corona-bedingt in den letzten Monaten stattgefunden haben bzw. aktuell geplant werden.

1. Zeitlicher Rahmen

Das analoge Barcamp umfasst meist mehrere Session-Slots hintereinander. Insgesamt dauern Barcamps meist zwischen einem halben Tag und zwei Tagen. Der Sessionplan basiert auf einem 60minütigen Rhythmus, bei dem eine Session jeweils 45 Minuten dauert und anschließend 15 Minuten Zeit ist für Raumwechsel und Pause. Es finden jeweils mehrere Sessions parallel statt.

Für ein Online-Barcamp gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, den zeitlichen Rahmen zu gestalten:

  • der zeitliche Rahmen kann ähnlich wie bei einem analogen Barcamp gestaltet werden. Dafür spricht, dass 45 Minuten eine gute Zeitspanne sind, um ein Thema diskutieren zu können – und auch im virtuellen Kontext eine Pause zwischen Sessions hilfreich ist. Diese kann z.B. auch genutzt werden, um einen Videokonferenz-Raum zu wechseln bzw. vorzubereiten. Für diese Variante spricht auch, dass sich Menschen den Termin des Präsenz-Barcamps oft schon freigehalten haben – und nun auch online teilnehmen können.
  • die Dauer des Barcamps kann verkürzt werden, z.B. können nur 3 statt 6 ursprünglich geplante Session-Slots stattfinden. Dafür spricht, dass Online-Kommunikation tendenziell anstrengender ist und Teilgebende leichter aussteigen können. (Genau dieser Aspekt kann aber auch zum Schluss führen, das Barcamp trotzdem so lang wie ursprünglich geplant zu gestalten, weil sich ja jede Person, sehr einfach die Pausen nehmen kann, die sie braucht.)
  • die Dauer deer Sessions kann verlängert werden und z.B. 60 Minuten betragen. Dafür spricht, dass technisches Onboarding zum Teil Zeit benötigt (‘Könnt ihr mich hören?’) bzw. Kommunikation im virtuellen Raum für viele ungewohnter und damit tendenziell langwieriger ist.
  • der zeitliche Rahmen des gesamten Barcamps kann gestreckt werden – z.B. auch über mehrere Wochen. Dafür spricht, dass ein Online-Barcamp zeitlich flexibel ist und Sessions-Slot über mehrere Tage verteilt weniger anstrengend sind, als mehrere Session-Slots an einem Tag. Auch können so tendenziell mehr Menschen teilnehmen und gewonnene Inspirationen und Eindrücke können erst einmal sacken, bevor die nächste Session kommt.
  • die Sessions-Slots können zeitlich flexibel gestaltet werden: Es kann dann mehrere Session-Angebote geben, die zu unterschiedlichen Zeiten und zum Teil auch überlappend stattfinden. Auch die Dauer der Session könnte von den Teilgebenden selbst gewählt werden. Dafür spricht, dass im virtuellen Raum mehr Flexibilität vorhanden ist und Teilgebende ohnehin mehr zwischen Sessions springen.

2. Tools und Technik

Bereits das analoge Barcamp nutzt häufig digitale Tools, um allen Beteiligung zu ermöglichen. Dazu gehört unter anderem, dass der Sessionplan oft digital verfügbar ist und die Sessions dort mit kollaborativen Schreibumgebungen (z.B. als Etherpads) verlinkt sind. Daneben wird häufig über Hashtag via Twitter kommuniziert.

Für ein Online-Barcamp sind Tools und Technik nicht nur möglicher Zusatz, sondern unabdingbar. Folgende Elemente sind entscheidend:

  • Das wichtigste Tool bei einem Online-Barcamp sind sicherlich die virtuellen Sessionräume. Veranstalter haben hier die Möglichkeit entweder selbst Sessionräume vorzugeben, z.B. 5 Videokonferenz-Räume so wie es ansonsten 5 analoge Räume gegeben hätte, denen die Sessions dann zugeteilt werden. Alternativ kann die Technik in die Hände der Teilgebenden gelegt werden. Teilgeben geschieht dann nicht nur in Form eines Session-Angebots, sondern auch in Form eines Technik-Angebots (= Für die Session xyz stelle ich meinen Zoom-Raum zur Verfügung und agiere als Host).
  • Bei der Auswahl des Videokonferenztools sollte auf möglichst niederschwelligen Zugang geachtet werden. Es bieten sich Tools wie Zoom, BigBlueButton oder JitsiMeet an. Wer ein Barcamp mit einem festen Team organisiert (z.B. Kollegium einer Schule) kann auf die dort auch ansonsten verwendete Infrastruktur zurückgreifen (z.B. Nextcloud mit Video-Talk-Funktion)
  • Für den Sessionplan kann mit einem GoogleSheet oder einem Ethercalc grundsätzlich die gleiche Technik verwendet werden, wie bei einem analogen Barcamp.
  • Als zusätzliches Tool können Messenger-Gruppen bzw. Chats  (Telegram, Discord) genutzt werden, um Kommunikation des Barcamps insgesamt zu unterstützen.
  • Mit den CAMPER gibt es zudem eine Komplett-Software Lösung – allerdings ursprünglich auch für Präsenz-Barcamps angelegt. In der Online-Variante können sie die Durchführung unterstützen und Kommunikation erleichtern.
  • Die ‘Unhangout’ Software des MIT Media Lab ist eine Komplettlösung für virtuelle Veranstaltungen, die auf Austausch basieren. Das Tool kann offen genutzt werden.      Es gibt dort eine virtuelle ‘Lobby’ und Teilnehmende können selbst Breakout Räume einrichten und besuchen. Diese können z.B. mit einem Mitschriebs-Doc ausgestattet werden.

3. Vorschlag, Auswahl und Durchführung von Sessions

Die Sessionplanung beim analogen Barcamp geschieht im Plenum und ist für viele das ‘Herzstück’ der Veranstaltung. Denn hier wird dabei zugehört und selbst eingebracht, was anschließend das ‘Programm’ der Veranstaltung ist. (Bei vielen Präsenz-Barcamps gibt es inzwischen die Option, Sessionvorschläge schon vorab virtuell anzukündigen – dennoch werden alle Sessions dann auch noch vor Ort vorgestellt.) Das anschließende Abfragen von Interesse ist mit Handzeichen in einem gemeinsamen Plenumsraum sehr einfach und macht es möglich, eine Einschätzung zur ungefähren Größe der späteren Session zu bekommen und darauf aufbauend die Raumzuteilung vorzunehmen.

Wie kann dieser Prozess virtuell gestaltet werden?

  • Die schriftliche Vorankündigung von Sessions kann bei einem Online-Barcamp als Ersatz für die gemeinsame Sessionplanung gestaltet werden. Sehr niederschwellig geht das, indem Teilgebende einfach selbst nach einem freien Platz im Session-Plan suchen und ihre Session selbst eintragen.
  • Alternativ kann man bei einer Vorankündigung von Sessions alle Session-Angebote über Kommentarfelder/ Formulare sammeln und evtl. auch bewerten lassen. Letzteres bietet sich an, wenn man für ausreichende Beteiligung in Sessions sorgen und deshalb die Anzahl der parallelen Sessions insgesamt begrenzen will und somit nur die bestbewerteten auswählt. Auch Session-Anbietern kann es helfen, wenn sie ungefähr wissen, auf wieviel Beteiligung sie sich einstellen müssen.
  • Schließlich kann die Sessionplanung synchron als Webinar durchgeführt werden – und damit sehr ähnlich wie eine Präsenz-Sessionplanung gestaltet sein: Wer eine Session einreichen will, meldet sich im Chat und bekommt dann Video und Mikro-Freigabe.
  • Bei der Durchführung von Sessions ist es noch wichtiger als bei einem analogen Barcamp, bestimmte Rollen zu verteilen. Neben Sessionanbieter/in kann z.B. oft eine Moderator/in hilfreich. Neben einer Doku-Kümmererer-Person auch ein technischer Support.
  • Für die Durchführung der Sessions und auch allgemein des Barcamps bieten sich gemeinsame Regeln an. Diese kann einfache Tipps zur Online-Kommunikation enthalten (Schalte dein Mikro stumm, wenn Du gerade nicht sprichst) als auch eine Art Netiquette zum Umgang miteinander. Vieles ist hier noch mehr als in Präsenz-Settings ein Lernprozess und Menschen bringen sehr unterschiedliche Erfahrungen mit.
  • Technisch kann die Auswahl des Videokonferenz-Formats die Art der Session unterstützen. Für einen Input sollte ich z.B. am besten die Webinar-Einstellungen wählen, für eine offene Diskussion die Meeting Einstellungen. Je nach verwendetem Tool kann die Teilnehmerzahl in Sessions begrenzt werden müssen. Eine Session mit Jitsi Meet mit 15 + Personen ist z.B. nur wenig hilfreich.

4. Dokumentation des Barcamps

Über die Dokumentation von Präsenz-Barcamps wurde zuletzt im Rahmen von den OERcamps viel ausprobiert. Mit einem Vorab-Workshop und der Etablierung einer ‘Barcamp-Doku-Kümmerer/innen-Gruppe’ konnte die Dokumentation der Sessions umfassender und vielfältiger gestaltet werden.

Wie kann Dokumentation beim Online-Barcamp gestaltet werden?

  • Die Dokumentation von Sessions im Sinne einer Aufzeichnung ist bei Online-Barcamps erst einmal deutlich einfacher. An sich müsste nur in jedem virtuellen Sessionraum eine Aufzeichnung mitgeschnitten werden. Dafür spricht die Vollständigkeit der Dokumentation. Dagegen spricht, dass nicht vorausgesetzt werden kann, dass alle Beteiligten mit einer Aufzeichnung einverstanden sind. Und dass die Nutzbarmachung von Mitschnitten sehr langwierig ist.
  • Alternativ/ zusätzlich kann auch bei einem Online-Barcamp ein kollaborativer Mitschrieb via Etherpad vorbereitet werden. Herausfordernd ist dabei das Switchen zwischen Videokonferenz-Raum und kollaborativer Schreibumgebung. Hilfreich ist es hier, wenn ein Mitschrieb direkt in den Videokonferenzraum integriert werden kann.
  • Mit überlegt werden sollte, ob und wie man zusätzliche Kanäle, z.B. den Chat in einem Videokonferenz-Raum sichert und anderen zur Verfügung stellt. Gerade hier werden häufig hilfreiche Hinweise, z.B. Links zu diskutierten Informationsquellen, gepostet, die für eine gute Dokumentation entscheidend sind.

5. Allgemeine Organisation und Gestaltung von Zwischenräumen

Die Gestaltung von Zwischenräumen ist für den Erfolg von Präsenz-Barcamps entscheidend und muss bei Online-Barcamps zum Teil neu überlegt werden. Auch in Hinblick auf die allgemeine Organisation ergeben sich veränderte Herausforderungen:

  • Das Kennenlernen und die gemeinsamen Plenumsphasen können anders gestaltet und/ oder auch vorgezogen werden Denkbar sind zum Beispiel Hashtags-Vorstellungsrunden als Mentimeter-Umfrage oder auch Zufalls-Einrichtungen von Breakout Räumen: je x Teilgebende treffen sich für 5 Minuten in einem gemeinsamen Videokonferenzraum und tauschen sich dort aus.
  • Teilgebende sollten über die gesamte Zeit des Barcamps eine Anlaufstelle haben, an die sie sich bei Fragen/ Orientierungsbedarf wenden können. Dazu kann z.B. ein virtueller ‘Plenumsraum’ für Einstieg und Abschluss eingerichtet werden und auch außerhalb der Plenumszeiten weiter besetzt sein.
  • Eine gute Möglichkeit für offenen Austausch ist ein ‘offener Videokonferenz-Raum’, in dem keine expliziten Sessions stattfinden, sondern sich Menschen ‘einfach so’ treffen können – z.B. auch in der Kaffeepause.
  • Austausch kann durch zusätzliche Chat-Kanäle und/ oder Messenger-Gruppen unterstützt werden. Diese kann unabhängig/ zusätzlich zur Kommunikation in den Sessions stattfinden – und den Community-Aufbau auch über das Barcamp hinaus unterstützen.
  • Schön ist ein Abendprogramm/ kulturelles Programm, das wie Sessions in Videokonferenzräumen stattfindet und sowohl Zuhören (Lesung, Musik) als auch Mitmachen (gemeinsames Karaoke Singen) beinhalten kann. Oder auch einfach ein Raum, um virtuell gemeinsam Kaffee/ ein Bier zu trinken. Beim Corporate Learning Camp gab es auch das Angebot eines Treffens in VR in einem Mozilla Hub.
  • Für verbindende Elemente lassen sich Online-Spiele/ Rituale überlegen: gemeinsam ein Lied singen und später zusammenschneiden, Fotos mit Text machen und zusammenfügen …

Fazit und Einschätzung

Allgemein stellen wir fest, dass sich ‘Online-Barcamps’ bislang meist sehr stark an der Präsenz-Variante orientieren – und diese lediglich in den virtuellen Raum transferieren, ohne allerdings auch angesichts der veränderten Rahmenbedingungen und Potenziale grundlegender umzugestalten. Wie dies gelingen kann, sehen wir als offene Frage zum Ausprobieren und Erkunden. Ob dann noch der Name ‘Barcamp’ treffend und passend ist, wird sich zeigen.

Credits

Der Beitrag nutzt unter anderem die Reflexionen und Überlegungen von:


CC0

Soweit gesetzlich möglich wird für den FAQ-Beitrag ‚Was sollte ich bei der Durchführung eines Online-Barcamps beachten?‘ auf alle Urheberrechte und verwandten Schutzrechte verzichtet.

Urheber/innen:

Dieser Eintrag wurde von Nele Hirsch während der #Edunauten erstellt.

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