1. Home
  2. Einstieg & Grundlagen
  3. Wie viel Struktur braucht das Lernen?

Wie viel Struktur braucht das Lernen?

Es gibt sicherlich keine eindeutige Antwort auf diese Frage, da Strukturen, die Schülerinnen und Schüler benötigen, höchst individuell sind. Daher ist es sinnvoll, ein flexibles System anzubieten, welches bestimmte Strukturvorgaben liefert, diese jedoch nicht zwangsläufig für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtend einfordert – vor dem Hintergrund der Frage:

Wie viel Struktur ist nötig, wie viel individueller Gestaltungsraum ist möglich?

Strukturen können grundsätzlich in unterschiedlichen Bereichen des Lernens gedacht werden:

  • räumliche Strukturen (physische und virtuelle Räume, Lernumgebung, Möblierung)
  • zeitliche Strukturen (Dauer, Taktung / Rhythmisierung, Frequenz)
  • soziale Strukturen (die/der Einzelne / die Gruppe, Verlässlichkeit, Verfügbarkeit, Vernetzung)

Im Folgenden werden verschiedene Möglichkeiten zur Gestaltung eines solchen flexiblen Systems dargestellt:

  • Fest verankerte Gesprächs- und Beratungszeiten sowie zeitlich flexible Gesprächsangebote
  • Gemeinsam festgelegte Deadlines zum Abschluss eines Projektes oder verschiedener Aufgaben über einen längeren Zeitraum (hier können kleinschrittigere, individuelle Hilfestellungen gegeben werden)
  • Formative Kontrollen: Die Schülerinnen und Schüler bestimmen selbst, wann sie bestimmte Kompetenzbereiche nachweisen. Im Anschluss wird ein gemeinsames Feedback eingeholt.
    (Auch hier können individuelle Strukturen und Termine vorgegeben werden.)

Selbstorganisation ist eine zentrale Kompetenz des Lernens, die zunächst einmal angeleitet und erlernt werden muss. Diesem häufig dem Schlagwort „Lernen lernen“ zugerechneten Aspekt sollte im Unterricht genügend Zeit eingeräumt werden. Es ist ein langer Prozess, der durch viele individuelle Gespräche, Beratungen und gemeinsame Reflexionen gekennzeichnet ist. Er sollte von der Lehrperson begleitet werden. Daher ist es wichtig, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie diese Kompetenz im schulischen Alltag gefördert werden kann.

Im Folgenden werden verschiedenen Möglichkeiten zur Förderung der Selbstorganisation und der Selbstreflexion dargestellt:

  • Raum geben, um eigene Ziele zu verfolgen.
  • Eine Übersicht erstellen, welche Möglichkeiten es zur Selbstorganisation gibt und in welchen Bereichen dies möglich ist.
  • Die Möglichkeiten der individuellen Selbstorganisation gezielt explorativ erproben und reflektieren lassen.
  • Größere Lernprojekte in kleinere Ziele unterteilen lassen.
  • Ein kleinschrittiges Ziel festlegen, dieses verfolgen und im Anschluss in einem gemeinsamen Gespräch den eigenen Prozess beschreiben und reflektieren lassen.
  • Einen eigenen Zeitplan zur Bearbeitung aufstellen lassen und diesen im Anschluss gemeinsam reflektieren.
  • Eine Liste mit Ablenkungen erstellen lassen.
  • Gemeinsame Projekte durchführen, in denen sich die Schülerinnen und Schüler selbstständig in Gruppen organisieren müssen und die gemeinsame Arbeit planen.

Praxisbeispiele aus dem Schulalltag (Berufskolleg und Gymnasium) finden sich in der #Edunauten Lernumgebung..

Weiterführend: Prinzipien der Selbstorganisation (Quelle: Lehrerinnenfortbildung Baden-Württemberg): https://lehrerfortbildung-bw.de/u_gestaltlehrlern/projekte/sol/fb1/04_organisation/

Mit den aktuellen Schulschließungen geht das Wegbrechen vertrauter Strukturen in Lernprozessen einher, wie z. B. das regelmäßige Zusammentreffen von Schüler*innen und Lehrer*innen in Klassenräumen oder die konventionelle Taktung des Unterrichts.

Daher kommt der Transformation bestehender Strukturen bzw. dem Aufbau neuer Strukturen in Lernprozessen eine große Bedeutung zu. Die oben aufgestellten Parameter können hier ebenfalls angelegt werden.

  • räumlich: verbindliche Lernplattformen als Ort für Kontaktaufnahme und Kommunikation, virtuelle Lernräume für die einzelnen Lerngruppen, professionelle virtuelle Räume für das Einzelgespräch zwischen Schüler/in und Lehrperson
  • zeitlich: Wechsel zwischen virtuellen (Gruppen-)Meetings (ritualisiert) und Selbstlernzeiten, grobe zeitliche Vorgaben für Lernprojekte, individuelle Gestaltungsräume, flexible Angebote
  • sozial: Lehrerinnen und Lehrer als verlässliche Ansprechpartner (Rituale), Schülerinnen und Schüler als verlässliche Lernpartner untereinander, verlässliche Lernnetzwerke schaffen, individuelle Angebote

Es ist gerade in dem sehr plötzlichen Switch von Präsenz zu disperser Lehrbeziehung wichtig, Lernenden eine (mentale) Repräsentation der Lehrperson zu vermitteln.

Das lässt sich ganz schlicht in Kommunikationselemente umsetzen (und somit strukturieren):

Als Sender*in:

  • Werthaltungen benennen
  • Erwartungen benennen
  • Klar (von Fakten und Anleitungen getrennte) Meinung zur derzeitigen Situation beziehen
  • Selektiv authentisch Emotionen zeigen
  • Kommunikative Rituale (Morgen-E-Mail, Schultag-Ende-Ping) einführen

Methoden: regelmäßige Podcasts, Selfie-Video, moderierte Chats, E-Mail

Als Empfänger*in:

  • Fragen stellen/Austauschmöglichkeiten bieten zu Werthaltungen, Erwartungen, Meinung, Emotionen

Methoden: Feedbackformular, Chat/Forum, Stimmungsabfrage über diverse Tools; Sprechstunde/Hotlinetermin

Wichtig sind dabei Regelmäßigkeit und Konsistenz der Form und der Kanäle (ein Beispiel: einmal in der Woche ein Selfie-Video mit privaten Statements und Einschätzung der Lage; alle 2 Tage Chat zu lernmethodischen Fragen; jeden Tag zum eigentlichen Unterrichtsschluss ein „Schönen Nachmittag! Die Sonne scheint, jetzt ist Zeit für Bewegung“ oder Ähnliches in der Betreffzeile über den Mail-Verteiler)

Medientheoretischer Hintergrund: parasoziale Interaktion/Beziehung: https://en.wikipedia.org/wiki/Parasocial_interaction

In Bezug auf das in diesem Projekt angestrebte Ziel, zeitgemäße Formen des Online-Lernens zu entwickeln, wären in allen genannten Bereichen des Lernprozesses Strukturen zu bevorzugen, die bei großer Verlässlichkeit seitens der Lehrerinnen und Lehrer geeignet sind, die Selbsttätigkeit und die Selbstwirksamkeit der Schülerinnen und Schüler zu fördern und zu fordern.


CC0

Soweit gesetzlich möglich wird für den FAQ-Beitrag ‚Wie viel Struktur braucht das Lernen?‘ auf alle Urheberrechte und verwandten Schutzrechte verzichtet.

Urheber/innen:

Dieser Eintrag wurde von den #Edunauten erstellt.

Bei Fragen zur Verwendung dieses Beitrages findest Du hier die Nutzungsbedingungen.

Was this article helpful?

Related Articles