Antwort – in aller Kürze
Tools wie H5P, Learningapps und Kahoot dienen in den in den allermeisten Fällen nicht dazu, die Zielkompetenzen zeitgemäßer Bildung wie Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken (4K) direkt zu erlernen. Auch kann man mit diesen Tools allein keine offenen, problemorientierten, forschend-entdeckenden Lernangebote schaffen. Dennoch gibt es aus Sicht der Beitragsautor*innen mindestens drei Szenarien des didaktisch sinnvollen Einsatzes:
- H5P&Co. können dazu genutzt werden, grundlegende Kenntnisse oder Teilkompetenzen einzuüben, die wiederum Voraussetzung für die 4K-Kompetenzen sind.
- Auch offene Lernangebote enthalten oft strukturierte, geschlossene Teilschritte. Hier ist der Einsatz von diesen Tools aus unserer Sicht vorteilhaft, weil sie unmittelbares Feedback ermöglichen.
- Schließlich können Lernende selbst solche Aufgaben erstellen – zur Vertiefung und Festigung ihres Wissens/Könnens und zur Weiterentwicklung komplexer Kompetenzen wie Kollaboration und Kreativität.
Antwort – etwas ausführlicher
Hintergrund
Zeitgemäßes Lernen ist problemorientiert, kontextualisiert und idealerweise sinnhaft. Im Zentrum stehen übergreifende Kompetenzen wie die 4K – Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken.
In diversen Tool-Sammlungen erfreuen sich Tools wie H5P, Learningapps und Kahoot großer Beliebtheit. Diese Tools eignen sich bisher allerdings vor allem dazu, geschlossene Aufgaben für kleinste Schritte anzubieten wie Kopfrechnen, Wissensfragen oder Grammatikregeln und stehen damit eher in der Tradition des Behaviorismus. Diese Tools scheinen also nicht per se dazu gebaut zu sein, zeitgemäßes Lernen zu ermöglichen (wie es aus konstruktivistischer Sicht angestrebt wird). Sind sie also zu verwerfen? Für die Autor*innen dieses Beitrags kristallisierte sich daher die Frage heraus:
Gibt es einen Bereich von Kompetenzen und Inhalten, in denen der Einsatz dieser Tools didaktisch sinnvoll sein kann?
Ergebnis sind diese drei Szenarien des didaktisch sinnvollen Einsatzes:
1. Hilfreiche Habitualisierungen
Komplexe Kompetenzen erfordern Teilkompetenzen, die kleinschrittig erworben werden können oder gar müssen.
Ein paar Beispiele für solche Teilkompetenzen:
- das 1×1 (teilweise auswendig gelernt, teilweise über regelhaftes Vorgehen erworben)
- die Bildung von unregelmäßigen Verbformen
- das Erkennen von Wortarten
- Noten lesen
- die grundlegende Syntax einer Programmiersprache
Geschlossene, kleinschrittige Aufgaben die man mit H5P oder auf Learningapps.org leicht erstellen kann, können bei der Automatisierung dieser Denkschritte helfen. So sind kognitive Kapazitäten frei, um komplexere Probleme zu lösen.
Deutlich wird aber schon bei diesen Beispielen, dass es zur Kanonfrage wird, welche Teilkompetenzen oder Inhalte wirklich “im Schlaf” beherrscht werden müssen: Muss man die Bundesländer mit Landeshauptstädten auswendig können? Die Epochenmerkmale des Expressionismus?
Diese Kanonfragen müssen innerhalb des jeweiligen Lernsettings beantwortet werden. Ein Kriterium könnte dabei sein: Hilft es mir als Lernende*r, bestimmte Probleme zu lösen, wenn ich diese Dinge nicht ständig nachschlagen muss?
Festzuhalten bleibt, dass Aufgaben in H5P&Co. beim Erlernen der Teilkompetenzen sinnvoll eingesetzt werden können.
2. Feedback für Zwischenschritte
Auch bei einem Lernprozess, der z. B. auf die 4K (s.o.) angelegt ist, gibt es Zwischenschritte, die mitunter auch kleinteilig sein können.
Ein Beispiel:
Ich höre einen Podcast zur Effektivität von Ausgangssperren bei Pandemien und möchte/soll diese Informationen mit einem Artikel vergleichen, der eine gegenteilige Position vertritt.
Hier ist es eine sinnvolle Unterstützung, wenn man mit geschlossenen Fragen das grundlegende Verständnis des Podcasts und des Textes abgleichen kann.
Wenn ich ein anderes Verständnis habe – einen Fehler mache – dann sollte ich als Lernende*r idealerweise einen Hinweis darauf bekommen, wo ich noch einmal nachlesen oder nachhören sollte. (formative assessment)
Zu beachten ist natürlich, dass es hier schon schwierig wird, “richtiges” und “falsches” Verständnis einer Quelle zu unterscheiden.
3. Erstellung eigener H5P-Inhalte durch Schülerinnen und Schüler
Eine Möglichkeit mit dieser Software direkt die 4K-Kompetenzen zu schulen, besteht darin, dass die Schüler*innen eigenständig ein Quiz oder Lernhilfe zu bestimmten Themengebieten herstellen. Wenn diese selbst hergestellten Einheiten dann durch eine Test- und Feedbackschleife gehen, haben wir die 4K ganz gut abgedeckt. Diese Aufgabenstellung kann allerdings leicht zum l’art pour l’art werden und dann ist die oben zu recht geforderte Sinnhaftigkeit des Lernens nicht mehr gegeben.
Grenzen & Potentiale
Komplexe Kompetenzen, die wir im Laufe unseres Lebens erlernen, lassen sich (noch) nicht algorithmisieren und nur ein Teil von ihnen lässt sich kleinschrittig trainieren. Beim Konzipieren eines Lernangebots kann man daher nicht ausschließlich auf Autorentools wie H5P zurückgreifen.
Ohne die Automatisierung dieser Teilkompetenzen wird es wiederum schwer fallen, größere Schritte zu gehen – hierfür sind diese Tools gut geeignet, um Lernenden so viel Übung mit direktem Feedback zu bieten, wie sie brauchen.
Empfehlung
H5P & Co. sollten für diejenigen Informationen und Teilkompetenzen eingesetzt werden, die wirklich basal und notwendige Grundlage für komplexere Kompetenzen sind. Als Kriterium kann hier die Frage dienen: Ist es für mich als Lernende*r wichtig, diese Informationen/Teilkompetenzen schnell parat zu haben oder kann ich es auch nachschlagen?
Außerdem können diese geschlossenen kleinschrittigen Aufgabenformate Teil eines größer angelegten Lernangebots sein und dort an Stellen eingesetzt werden, an denen direktes Feedback möglich ist.
Mehr dazu
Oliver Tacke gibt einen kurzen Einblick in H5P und stellt Inhaltstypen vor, mit denen man über das oben Genannte hinausgehen kann:
https://www.youtube.com/watch?time_continue=241&v=92ELGwhcmvk&feature=emb_logo
Axel Krommer zieht den Vergleich zwischen Learningapps und Skinners “Learning Machine”
https://axelkrommer.com/2013/09/17/von-skinners-teaching-machines-1954-zu-den-learning-apps/
Informationen über den Inhalt
Soweit gesetzlich möglich wird für den FAQ-Beitrag ‚Für welche Kompetenzen oder Inhalte kann ich H5P, Kahoot & Co didaktisch sinnvoll einsetzen?‘ auf alle Urheberrechte und verwandten Schutzrechte verzichtet.
Urheber/innen:
Dieser Eintrag wurde von den #Edunauten erstellt.
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